Wochentraining "Zeichnen Basic"
Block 2 Lektionen 6-10: Die Schraffur
Lektion 9: Schraffur trifft Jeanshose
Willkommen zur neunten Lektion des Basiskurses „Zeichnen“!
Materialliste
- 2 Blätter DinA4 für die Vorübung
- 1 Blatt DinA3 für die Hauptzeichnung
- Bleistifte verschiedener Härten
- eine zerknautschte Jeans
Heute starten wir direkt mit unserer Schraffurübung. Es geht um zwei unterschiedlich intensive Schraffuren.
Die Intensität und die Feinheit einer Schraffur können jeweils sehr viel zum Grundcharakter einer Zeichnung beitragen. Deshalb geht es nicht nur um das technische Begreifen, sondern auch um die Freiheit in der Anwendung.
Das ist natürlich schon Schraffur auf einem hohen Level, aber erste Übungen lassen Dich zunehmend die Zusammenhänge begreifen, öfter in diese Richtung denken und hier und da vielleicht eine Anwendung wagen.
Da diese Vorübungen etwas aufwendiger sind als die anderen Vorübungen, gibt es heute nur zwei. Starten wir direkt.
Blatt 1
- Nimm Dir einen weichen angespitzten Bleistift, so angespitzt wie Du es bereits gelernt und vielleicht schon verinnerlicht hast. Er ist also mehr angekantet. Hier wirst Du plötzlich auch verstehen, warum diese Art des Anspitzens tatsächlich Sinn macht.
- Mache nun relativ viele „heftige“ Linien. Wenn Du dabei nach 1-2 Linien den Bleistift immer wieder drehst, wirst Du immer wieder eine „frische“ Kante haben und die Bleistiftlinien werden nicht einfach plump.
Heute benötigst Du bei Deinen Vorübungen keine Rahmen, heute arbeiten wir ohne Begrenzung.
- Setze auf die linke Seite des Blattes mit einem 7B-Bleistift ein paar heftige, schnelle, dunkle Schraffurlinien, alle relativ senkrecht bis leicht schräg, alle immer wieder leicht die Richtung wechselnd, unbedingt immer frei, heftig und unkontrolliert.
- Nun setze auf die rechte Seite einige ganz feine und dünne Linien mit einem H-Bleistift, auch tendenziell senkrecht aber feiner, zarter und kontrollierter.
- Deine Aufgabe ist nun diese beiden sehr divergierenden Schraffuren zu verbinden mit einem Verlauf von dunkel zu hell, mit einem Verlauf von „heftig“ zu „zart“. Das wird sicherlich etwas dauern. In diesem Verlauf wirst Du auch andere Bleistifte nutzen. Setze keine kastenartigen Begrenzungen, es geht ausschließlich um den Verlauf.
Blatt 2
- Wiederhole das ganze. Setze dieses Mal rechts und links auf das Blatt die heftigen Schraffuren und dazwischen in der Mitte die ganz zarten. Es geht nun also um einen Verlauf von dunkel und heftig über zart zurück zu dunkel und heftig.
Hier gibt es allerdings noch eine Variante.
- Versuche, wenn der Doppelverlauf soweit gelungen ist, den Schraffuren eine Begrenzung zu geben, gerne wieder kastenartig, und schraffiere nun sowohl die zarten, die mittleren und die heftigen Schraffuren bis zu diesem Rand, bis zu dieser Begrenzung.
Zu diesem Blatt gibt es ein Video, schaue es Dir als Beispiel in Ruhe an.
Heute geht es in der Hauptübung um eine Jeanshose. Hast Du keine, leih Dir eine. Nimm sie, knautsche sie, zu einem Knäuel, mit Knoten, amorph, wie immer du es möchtest.
Das Schöne ist, egal was Du tust, Du wird immer Dunkelheiten haben, Liniengefüge, Verläufe und das Beste, die Form muss niemals wirklich richtig sein, d.h. Du kannst Dich sehr auf Deine Schraffur konzentrieren.
Hast Du Dein Modell in Deinem Sinne drapiert und geordnet, greife zum Bleistift und zum DinA3-Blatt und starte mit Schritt 1.
«Alle Kunst beruht auf einem Stillesein der Seele.»
Hans Thoma
Die Jeans! Der Kult! Das Modell!
Schritt 1 Fließende Konturen und Linien – H-Bleistift
Heute starten wir mal wieder suchend, mit einem H-Bleistift, such nicht durch Kritzel-Linien, sondern suche durch fließende Linien, die „nicht“ stoppen.
Mit diesen Linien versuche mehreres nachzuempfinden:
- Konturen
- Nähte
- Faltenlinien usw.
Versuche Dein Objekt unbedingt formatfüllend auf Dein Blatt zu bringen. Natürlich geht es uns auch immer um Realität im Sinne von Proportion etc. In diesem Fall lege den Fokus etwas mehr auf Linienfluss, versuche der Realität aber trotzdem nahe zu kommen (siehe Video):
Ggf. hörst Du nebenbei eine entsprechende (fließende) Musik, um die Intuition Deiner Hand ein wenig zu unterstützen. Drücke nicht zu stark auf, setze aber hier und da trotzdem einige Akzente.
Versuche am Ende des Schrittes die Form komplett gezeichnet zu haben, auch wenn die Proportionen teilweise eben nicht stimmen.
Schritt 2 Schwärze – sofort in die Vollen mit 7B
Die dunklen Bereiche Deiner Jeans, möglichst alle, schraffiere sehr sehr dunkel, durchaus mit massiveren dunklen Linien!
Achte aber auf die Begrenzungen. Da wo Du klare Begrenzungen siehst, setze sie, da wo keine sind, lass die Schraffuren ruhig etwas auslaufen. Trau Dich, wirklich aufzudrücken!
Schritt 3 Fließende Linien 2 – HB-Bleistift
Wir greifen die fließenden Linien noch einmal auf, dieses Mal aber mit einem HB oder sogar 2B-Bleistift. Das heißt die Linien und vor allem die Akzente können etwas dunkler werden. Beziehe Dich aber nicht auf alle vorhandenen Linien sondern setze nur an folgenden Stellen neue Linien und Akzente:
- Linien an den Stellen, wo Du Dir einen Schwerpunkt vorstellen kannst
- An den Stellen, wo prägnante Details und Nähte auftauchen
- Dort wo Du Faltenfluss betonen möchtest
Du siehst, Akzente können zwar spontan aus dem Fluss der Hand heraus entstehen, sie können aber auch einer konkreten Absicht unterliegen.
Generell gilt: Da wo Du dunkler wirst, detaillierter, akzentuierter, schaut der Betrachter eher hin. Du wirst mittelfristig lernen, den Blick des Betrachters ganz konkret zu steuern.
Schritt 4 Schwerpunkt
Nun bestimme einen Bereich als den Bereich, der zum Schwerpunkt werden soll, weil Du ihn besonders gut, intensiv und detailliert herausarbeitest.
Hier gilt: Da wo eh schon viele Details auftauchen, wirst Du einfacher auch einen Schwerpunkt für die Zeichnung entwickeln können.
Der Bereich kann eine Größenordnung haben von 10x10 cm, als grobes Circa-Maß. Es geht natürlich nicht um einen quadratischen Schwerpunkt. Versuche, Schwerpunkte auslaufen zu lassen. Reduziere also zu den Rändern Deines Schwerpunktes und darüber hinaus Detail, Akzente, Flächen, Verläufe immer etwas mehr.
Wenn Du diesen Bereich erst einmal bestimmt hast, arbeite ihn heraus:
- Schraffiere ausführlich, detailliert und ggf. mit verschiedenen Bleistifthärten
- Wenn Du spezielle oder spezifische Details entdeckst, versuche sie ebenso detailliert herauszuarbeiten.
- Erarbeite Verläufe, so wie Du sie siehst. Deine Vorübungen kommen hier zur Anwendung. Versuche aber, wie in der Vorübung heute an einigen Stellen auch mal etwas wilder zu werden. In dem Fall wirst Du zwar immer Realität einbüßen, aber die Zeichnung wird an Intensität und Emotionalität zulegen
- Setze nach den Schraffuren oder immer wieder zwischendurch auch lineare Akzente
Schritt 5 Kontrapunkte
Bestimme nun zum Schwerpunkt zwei kleine Kontrapunkte. Hier kommen wir plötzlich schon sehr stark zu kompositorischen ersten Zusammenhängen. Wie gerade erläutert, wird der Schwerpunkt, den Du als solchen herausstellst, immer der Punkt sein, wo der Betrachter als erstes hinschaut.
Damit der Blick aber nicht nur da hängen bleibt, sondern auch den Rest der Zeichnung erkunden möchte, erzeichnest Du andere Bereiche, die auch etwas dominant sind, aber nicht so dominant, wie der Hauptschwerpunkt. So steuerst Du den Blick des Betrachters immer mehr.
Der Betrachter nimmt Deine Raffinesse nicht bewusst wahr, aber sein Blick reagiert trotzdem in der beschriebenen Weise.
Diese beiden Kontrapunkte sollten also wohl platziert sein. Tauchen sie in unmittelbarer Nähe des Schwerpunktes auf, stärken sie diesen eher. Sie sollten also einen gewissen Abstand haben. Die Abstände der drei Punkte untereinander sollten auch noch einmal unterschiedlich sein, um Regelmäßigkeit zu vermeiden. Diesen Punkt nimm heute einfach so hin. Dazu kommt später mehr.
Platziere also Deine Kontrapunkte und berücksichtige dabei folgende Punkte:
- Erarbeite sie in derselben Art wie Deinen Schwerpunkt!
- Sie sollten wesentlich kleiner sein als Dein Schwerpunkt, maximal ein Viertel.
- Versuche die Korrespondenz dieser drei Bereiche untereinander im Auge zu behalten. Dazu gibt es keine Regel. Versuche einfach eine sensible Wahrnehmung zu entwickeln, wie sich diese drei Bereiche zueinander verhalten. Später wirst Du solche Zusammenhänge dann sehr fein abstimmen können.
Eine pure Bleistiftübung! Ich muss sagen, so viele Techniken, Mischtechniken und Möglichkeiten es gibt, ich habe nie verlernt, die pure Bleistiftzeichnung aufs Innigste zu lieben. Sie ist einfach so pur, klar und unverhohlen. Je mehr man den Bleistift lieben lernt, je mehr wird Zeichnung zur puren Meditation und Verinnerlichung. Genieße schon jetzt dieses Vergessen von Zeit, dieses „einfach machen“.
Und wieder eine Lektion geschafft!
Schaue Dir noch die Reflektionsfragen an und dann ab in die Genussphase!
Reflektion
1. Wie klappt aus Deiner Sicht bislang die Schraffur? Fließt es schon oder ist es noch schweißtreibende Arbeit?
2. Wie realistisch ist Deine Zeichnung geworden?
3. Wie empfindest Du die Schwerpunktverteilung in Deinem Bild?
Nun habe eine wunderbare Woche! Wenn Du Dein Umfeld betrachtest, fange an Deine Betrachtungsweise zu ändern. Denke hier und da mal eher zeichnerisch! In diesem Sinne Happy Wahrnehmung!
Dein HOWDOYOUKUNST-Team
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